Wir begannen unser Abenteuer am Freitag Vormittag natürlich mit einem ausgezeichnetem Kaffee und - stilecht - einem Glas Champagner. Ich hatte meine Packtaschen und Susi (so möchte ich die junge Dame hier einmal benennen) ihren Rucksack. Also ging es von Leobersdorf aus erst einmal immer entlang an der wunderschönen Triesting. Ein fantastischer Einstieg.
Der Triestingau-Radweg ist nun endlich fertiggestellt und exzellent beschildert. Bereits zwei Tage zuvor hatten wir einen kurzen Ausflug in die entgegengesetzte Richtung unternommen. Schöner kann Radfahren kaum sein. Fast immer liegt der Weg direkt neben dem glasklaren Gebirgsfluss, oft beschattet durch üppige Auwälder und nur selten erfolgt ein kurzer Schlenker durch die Wiesen und Felder der Auen. Erst diese kurzen Abstecher machten die Schönheit der Landschaft deutlich.
Ich hatte für die gut fünfzig Kilometer lange Strecke fünf Stunden eingeplant. Eine Durchschnittsgeschwindigkeit von zehn km/h ist schon recht gut, wenn man die sehr ausgiebigen Pausen bedenkt. Es trieb uns nichts und so legten wir ohne Notwendigkeit eine kurze Rast an einer schönen Pausenstation ein. Es gibt fast an jeder Stelle des Weges einen Platz wo man kurz verweilen möchte.
In Oberwaltersdorf angekommen, mussten wir das Triestingtal verlassen. Da hatten wir bereits spielend leicht ein Drittel unseres ersten Tourabschnittes bewältigt. Um große Umwege zu vermeiden, nutzten wir jetzt die geradezu schnurgerade verlaufende Bundesstraße über Ebreichsdorf nach Unterwaltersdorf. Absolute Vorsicht war angesagt, aber auch diese Strecke hatte ihren Reiz.
Gerade dieser Abschnitt veranlasste meine Begleiterin zu dem Ausruf: 'Österreich ist schon schön'. Vor uns breitete sich das Wiener Becken, eben wie eine Tischplatte, aus. Und wohin wir auch schauten, überall am Horizont zeichneten sich schemenhaft und weit entfernt die Umrisse der Gebirge ab. Der über zweitausend Meter hohe Schneeberg, 'unser Hausberg', hob sich majestätisch hervor.
Jetzt musste schnell die Fahrradkarte gewechselt werden, die neue Karte war bereits als 'Nationalpark Donauauen' ausgewiesen, sie sollte uns den Rest des gesamten Ausfluges begleiten und noch sehr gute Dienste leisten. Ab jetzt nutzten wir wieder Wirtschafts- und Feldwege quer durch die Felder und Wiesen. Auch begleitete uns wieder irgendein Bächlein. Mal folgten wir einem Mähdrescher auf dem Weg zur Arbeit in gebührender Entfernung, dann ging es wieder durch kleine Naturreservate. In einem solchen, schlug ich eine ausgiebige Jause vor. Um meine ungeübte Radkollegin etwas zu motivieren und da ich den Geschmack der Damenwelt kenne, hatte ich im Gepäck noch zwei gut gekühlte Piccolos versteckt. So eine Überraschung kommt immer gut an. Ich war eh gut gelaunt, da wir voll im Zeitplan nunmehr das zweite Drittel bewältigt hatten. Äpfel, Paradeiser aus dem eigenen Balkonkasten und vorbereitete Käsebrote vervollständigten die Verpflegung. Diese Stärkung war an dieser Stelle auch notwendig. Auf ausgedehnten Radtouren verspürt man oft überhaupt keinen Hunger. Das kann gefährlich werden, wenn man dann so lange nichts isst, bis der Körper heftig reagiert. Und vor uns lag noch etwas, was motorisierte Verkehrsteilnehmer vielmals gar nicht mehr wahrnehmen. Das Rosaliengebirge lag genau zwischen uns und dem Neusiedler See. Beim ersten Anblick des Hindernisses hatte meine Begleiterin zum ersten mal Schweißperlen auf der Stirn. Sie fürchtet sich vor jedem Hügel. Aber so, wie irgendwie unsere gesamte Reise unter einem guten Stern stand, so unproblematisch sollte sich die Querung desselben erweisen.
An einer Tankstelle mitten im Ort erklärte ich Susi die Vorzüge von 'Radler' als isotonischem Aufbaugetränk. Dieses Zwischengetränk war notwendig, weil uns bisher strahlender Sonnenschein begleitet hatte. Wie auf Zuruf bedeckte sich ab nun der Himmel mit einem angenehmen hellgrauen Wolkenschleier. Von der Tankstelle aus schoben wir die Räder eine kurze und steile Anhöhe hinauf. Ab dann ging es teilweise über ruhige Landstraßen und größtenteils über abgelegene Feld-, Wald- und Wiesenwege der unterschiedlichsten Beschaffenheit parallel zum Gebirge auf relativ anstiegslosem Niveau. Erstaunlich, was so ein Ultraleicht-Faltrad mit Rennradausstattung so alles bewältigen kann.
Die wenigen kurzen Anstiege haben wir einfach schiebenderweise zurückgelegt. Den Teil, welchen die Landstraße per Serpentinen über einem Sattel im Gebirge zurücklegt, haben wir dank Navigationsgerät und gutem Spürsinn auf einem Waldweg abgekürzt. Als dieser endete, mussten wir noch einige Meter durch den Wald und wir befanden uns wieder auf dem Asphalt; kurz vor dem höchsten Punkt des Passes. Aber nun begann gleich eine atemberaubende kilometerlange Fahrt mit teilweise fast vierzig km/h das Gebirge wieder hinab. Von weitem grüßte eine riesige Tafel: 'Nationalpark Neusiedler See, Weltkulturerbe'. Am Ende der langen Gerade öffnet sich in einer Spitzkehre der Wald und gibt das erste mal den Blick auf große Teile des Sees frei. Noch erscheint er in weiter Ferne, doch der weiterhin abschüssige Weg lässt uns das allererste Ziel in verblüffender Schnelligkeit und vor allem Leichtigkeit erreichen.
Wie wir uns noch mehrmals gegenseitig bestätigten, befanden wir uns am aller-schönsten Platz im Ort. Wir hatten den Zeitplan exakt eingehalten, der Check-In ging derart schnell und dezent vonstatten, so dass wir uns innerhalb kürzester Zeit auch zur passenden Zeit am Kaffeetisch vorm 'Turmhof' wiederfanden.
Neutouristen sind die Details oft nicht bekannt und so erzählte ich meiner Gesellschafterin von den Besonderheiten des Sees. Erst jetzt erfuhr sie durch mich, dass die Orte rings um den See nicht direkt am Ufer liegen, da er praktisch überall von einem kilometerbreiten Schilfgürtel gesäumt wird. Also, kein Problem rauf aufs Fahrrad Richtung Seebad Rust. In Purbach folgten wir der Seestraße zum Bootsverleih, vielleicht ein Sonnenuntergang auf dem See? Nein, ihr wollt uns kein Boot vermieten, na egal, wir geben unser Geld eher lieber freundlichen Leuten, wir würden noch genug Gelegenheit dazu haben.
Nach zwei geraden Kilometern durch das Schilf erreichten wir die einsame kleine Bucht und die erste Bademöglichkeit.
Fast überflüssig zu erwähnen, dass während unserer Kaffeepause die Sonne schien, vor welcher uns bei der Weiterfahrt wieder eine leichte Wolkendecke schützte. Und wie selbstverständlich, verflüchtigte sich diese nun rasch.
Nun war es an der Zeit, den örtlichen Supermarkt, kurz vor Geschäftsschluss, aufzusuchen und ein Picknick zusammenzustellen. Ein Platz für dieses war schnell gefunden.
Bei fast vollendetem Sonnenuntergang fuhren wir zurück und waren kurz vor der einbrechenden Dunkelheit in unserer Unterkunft zurück. Dort noch ein achtel Weißwein aufs Burgenland und die Eierschwammerl des Hauses probiert. Nach dem Sonnenuntergang konnten wir auf der Heimfahrt in der Ferne wunderschöne Gewitterblitze bewundern. Während des Essens im Inneren des Turmhofes prasselte ein ganz kurzer Gewitterschauer auf unseren Sonnen(regen)schirm. Das Haus, welches uns Unterkunft gewährte, ist ein Paradies für Radlfahrer. Falls nötig, steht sogar Druckluft zum mühelosen Aufpumpen der Reifen zur Verfügung. Familienbetrieb, sehr dezenter und freundlicher Service, die Zimmer waren zum Turmhof gelegen, ruhig, blitzblank modern und sehr gemütlich eingerichtet inkl. großem Wannenbad, einfach perfekt.
Ich wurde verwundert angeschaut, als ich einen abschließenden Nachtspaziergang vorschlug, die Dame nahm die Regenjacke jedenfalls umsonst mit. Wir entdeckten noch einen geheimnisvollen Durchgang mit einer noch geheimnisvolleren Gastwirtschaft, wobei beides hätte als perfekte Mittelalterliche Kulisse herhalten können. Bereits zu dunkel für unsere bescheidene Fotoausrüstung.
Das Frühstück war tadellos, besonders dank des ausgezeichneten Kaffees, was für ein seltenes Glück, und die nächste Tour konnte starten.
Die nächste Etappe - Neusiedl am See - war leicht zu erreichen, hoffentlich sind die Bootsverleiher dort freundlicher. Die Radfähre von Breitenbrunn nach Podersdorf war schon weg. Sie sollte nur eine lustige Bootsfahrt werden und war am Ende gar nicht von Nöten. Eine kurze Rast, für den obligatorischen Schluck aus der Wasserflasche und ehe wir uns es versahen waren wir am Neusiedler Seeufer. Die Räder wurden im Blickfeld des Verleihers gesichert und unversehens ein schnelles Elektroboot gemietet, denn es gibt dort zwei Varianten.
Immerhin stolze dreizehn Kilometer haben wir damit zurückgelegt. Das berichtet das Navigationsgerät, welches uns auch metergenau an unseren Anlegesteg zurückführte. Es ist nämlich nicht so einfach, diesen vom See aus zu orten, da die vielen kleinen Buchten zusätzlich durch das Schilf verdeckt werden. Man sieht oft die Einfahrt erst, wenn man sich genau davor befindet.
Auf der Karte mit den GPS-Daten kann man unsere 'Seerundfahrt' sehr gut erkennen.
Die grüne Linie markiert den gesamten von uns zurückgelegten Weg.
Inklusive gemütlicher Badepausen und einer ausführlichen Besprechung der weiteren Reiseroute (meine Begleiterin hatte jetzt den 'kleinen' Berg hinter Neusiedl bemerkt und wieder entsprechende Bedenken bekommen) dauerte unsere Bootsfahrt fast drei Stunden. Da brauchts keine Radfähre, deren Route als gestrichelte Linie auf dem Kartenausschnitt zu sehen ist.
Den Berg nach Parndorf (am berühmten Outlet-Center direkt vorbei) bewältigten wir in bewährter Methode; kurze aber steile Seitengassen hochschieben und dann wieder sanftere Wege. Und ich wusste, dass uns ein leicht zum Donautal abfallendes Gelände erwartet. Der Weg ab Parndorf war zwar unbefestigt mit wechselnden Zuständen aber er führte fast schnurgerade Richtung nächstes Etappenziel. Ganz nebenbei passierten wir die Leitha. Bald erwarteten uns auch wieder unzählige Radwanderwege welche durch eine fast skurril wirkende Landschafte führte. Unter anderem war die Strecke Teil des 'Römer-Radweges' wo wir wunderliche Bauten im Panoramablick bewundern konnten.
Vielleicht hätte ich dort tatsächlich einmal meine Allergie gegen zu viele und mangelhafte Fotos überwinden sollen. Und das ging immer so weiter bis mitten hinein in den Kurpark von Bad Deutsch Altenburg. Es war, als liefe vor unseren Augen ein Dokumentationsfilm ab. Es gab in diesem Augenblick keinen Moment der Langeweile, man kam von einem Staunen ins nächste.
Kurz darauf befanden wir uns schon mitten auf der Donaubrücke. Eine Herausforderung, dieser autogerechte Übergang mit 'Käfigen' für die Radler.
Bravo Leistung Mädel, hier sieht man Dir die harte Leistung bereits an, aber Du hast Dich noch immer nicht beklagt. Und Dein Gepäck hast Du auch selber transportiert.
Wir waren jetzt fast in Bratislava und noch weit entfernt von Vienna. Das folgende beschreibe ich nur kurz aber es schien unendlich. Denn nach dieser Brücke folgte ein Donauauen-Radweg, welcher sich wie eine einzige Linie bis zum Horizont hinzog. Wie ein unendlicher Highway welchen man gelegentlich in Filmen sieht. Und man fährt und fährt und es ändert sich nichts daran. Da habe ich dann vorsichtshalber und außerplanmäßig das Abendessen vorgeschlagen. Pause! Die Speisekarte war unverändert: Äpfel, Tomaten, Käsebrote. Aber diesmal leider ohne Piccolo.
Und dann wieder diese elende scheinbar unendliche Gerade. Und jetzt hast Du ganz vorsichtig angefangen zu quengeln (Du musstest ja auch pünktlich zu Hause sein); aber das war ganz allein meine Schuld, was wir da machten, war eine Profitour. Ich wollte auf den Vorschlag nicht eingehen und entgegenkommende Radler nach der verbleibenden Entfernung befragen und so brach ich die Diskussion ab, indem ich frech aus dem Bauch heraus behauptete, in dreizehn Minuten wären wir bei der Fähre. Glücklicherweise waren wir dann nach vierzehn Minuten tatsächlich dort, denn wir kamen nun unheimlich schnell voran, da die Landschaft sich aber nie änderte und es praktisch keine Bezugspunkte gab, bemerkten wir dies nicht. Aber wir wurden belohnt. Überraschenderweise bot uns der Fährmann an, noch schnell eine Überfahrt zu absolvieren und uns dann gleich mit nach Wien zu nehmen. Wir waren völlig verblüfft! Da er die Fahrzeit mit nur einer dreiviertel Stunde bezifferte, mit dem Zug wären wir sicher nicht schneller am Ziel angekommen, wurden wir schnell handelseinig. Unser lobenswerter Bootsmann verlangte nur einen lächerlich geringen Aufpreis zum regulären Fähr-Tarif. Diese Fahrt war fast geschenkt.
Ein anscheinend mit dem Eigner befreundetes Paar, als einzige weitere Begleitung, war eine sehr angenehme Gesellschaft und gab uns als Ortsfremden sehr freundlich ein paar wertvolle Hinweise zur Umgebung. Und es ging wirklich zügig ab.
Wir fuhren genau in den Sonnenuntergang hinein. Kann man sich etwas besseres vorstellen?
Wenn man sich ein Kreuzfahrtschiff als komfortablen Reisebus vorstellt, dann waren wir das Sportcabriolet.
Auf Fotos lässt sich nicht alles festhalten, so sieht man nicht, dass wir mit fast vierzig km/h stromaufwärts fliegen. Und ich habe noch nie solch schöne und gepflegte Zille gesehen.
Wann ist der Mensch glücklich?
Die Zeit verging jetzt rasend schnell und wir waren augenblicklich am Ziel. Wir legten nun, leider schon, wenige hundert Meter vor dem (Wasser-) Kraftwerk Freudenau, am unbefestigten Ufer der Donauinsel an. Gleich waren die Räder wieder einsatzbereit und bepackt. Die wenigen Schritte hoch zum Radweg und schnell die nächsten Passanten nach der nächsten U-Bahnstation gefragt. Über den sehr skeptischen Blick des befragten Pärchens auf das eine, doch sehr ungewöhnliche Rad mussten wir später doch ziemlich schmunzeln. Waren doch jetzt schon annähernd hundert Prozent der insgesamt 145 km langen Strecke absolviert. Und das bezieht sich nur auf die tatsächlich durch eigene Muskelkraft bewältigte Tour. Hinzu kommen noch die motorisierten Bootsfahrten und ein Nachtspaziergang.
Das Navi zeigt nur Bahnhöfe direkt an aber nicht die U-Bahn-Stationen. Um nicht in die Stadt hinein und allzu oft umsteigen zu müssen, fuhren wir über das Staukraftwerk aufs rechte Donauufer und dann noch die letzten zwei, drei Kilometer zur U-Bahn-Station Donaumarina, immer noch in Richtung der untergehenden Sonne, und trafen auch noch genau zur geplanten Ankunftszeit dort ein. Jetzt nur schnell nach Hause, durch diesen dringlichen Wunsch, versäumten wir die Vollendung des Sonnenuntergangs auf dem Bahnsteig stehend. Den Rest erledigt die ÖBB.
Vielen, vielen Dank an meine charmante Begleiterin.
– Ende –